Das Wichtigste in Kürze:
Seit 2017 dürfen Ärzt:innen in Deutschland bei schwerwiegenden Erkrankungen Cannabis-Rezepte ausstellen – und verschreiben Medizinalcannabis auch bei Depressionen [1].
Während eine Behandlung mit Antidepressiva erwiesenerweise wirkt, kann sie mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein. Betroffene sind daher auf der Suche nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten.
Könnte medizinisches Cannabis bei Depressionen helfen? Könnte es diese sogar verschlimmern oder auslösen? Alle Antworten findest du hier.
1. Medizinisches Cannabis gegen Depressionen? Studien zu potenzieller Wirkung
2. Mögliche Neben- und Wechselwirkungen bei der Anwendung von Cannabis bei Depressionen
3. Cannabis bei Depressionen? Kostenübernahme, Verschreibung und Psychotherapie
Universitäten: University of New Mexico (Albuquerque, USA) und MoreBetter Ltd. (Washington D.C., USA)
Veröffentlichung: 2020 im Yale Journal of Biology and Medicine
Art der Untersuchung: Auswertung von App-Daten
Untersucht wurden: 5.800 Sessions zur Anwendung von Medizinalcannabis
Aufbau der Untersuchung:
Wesentliche Ergebnisse:
Universitäten: Universidad Miguel Hernández-CSIC (Alicante, Spanien), Instituto de Salud Carlos III, MICINN and FEDER (Madrid, Spanien), Hospital Universitario 12 de Octubre (Madrid, Spanien), Universidad Camilo José Cela (Madrid, Spanien), Complutense University of Madrid (Madrid, Spanien)
Veröffentlichung: 2020 in Frontiers in Psychiatry
Art der Untersuchung: Review
Untersucht wurden: Studien zum Endocannabinoidsystem
Ausgangspunkt und Aufbau der Untersuchung:
Wesentliche Ergebnisse:
Von 2017 bis 2022 führte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Begleiterhebung zu Medizinalcannabis-Therapien durch, die in Deutschland verschrieben und von den Krankenkassen übernommen wurden
Die Erhebung ergab unter anderem, dass Depressionen bei einem Teil der Personen, die medizinisches Cannabis verwendeten, als Nebenwirkung auftrat. Unter den insgesamt rund 16.800 Verschreibungen von Medizinalcannabis war das bei 198 Personen, also 1,2 Prozent der Patient:innen der Fall [1].
Man geht davon aus, dass die Begleiterhebung bei Weitem nicht alle Verschreibungen von Medizinalcannabis enthält [4]. Inwiefern sich das auf die Zahlen zu medizinischem Cannabis bei Depressionen auswirkt und sie verzerren könnte, ist unklar.
Universität: Centre for Addiction and Mental Health (Toronto, Kanada), University of Toronto (Toronto, Kanada)
Veröffentlichung: 2014 in Psychological Medicine
Art der Untersuchung: Systematische Überprüfung und Meta-Analyse
Untersucht wurden: Längsschnittstudien zu Cannabis bei Depressionen
Aufbau der Untersuchung:
Wesentliche Ergebnisse:
Universität: University of Cincinnati (Cincinnati, USA) und Cincinnati Children’s Hospital Medical Center (Cincinnati, USA)
Veröffentlichung: 2021 im Journal of Personalized Medicine
Art der Untersuchung: Mathematische Modellierung
Untersucht wurden: Bestehende Studien zu Wechselwirkungen zwischen Cannabinoiden und Medikamenten bei Jugendlichen
Ausgangslage und Aufbau der Untersuchung:
Wesentliche Ergebnisse:
Laut der Begleiterhebung des BfArM gab es von 2017 bis 2022 471 Fälle, in denen die Krankenkassen die Kosten für die Verschreibung von medizinischem Cannabis bei Depressionen übernahm. [1]
Erkrankung bzw. Symptomatik | Fallzahl gesamt | Anteil in % aller Fälle (16809) | Anteil in % aller Fälle mit Cannabis-blüten (2773) | Anteil in % aller Fälle mit Cannabis-extrakt (1351) | Anteil in % aller Fälle mit Dronabinol (10463) | Anteil in % aller Fälle mit Sativex® (2188) | |
1 | Schmerz | 12842 | 76,4 | 66,8 | 88,8 | 78,0 | 73,5 |
2 | Neubildung | 2434 | 14,5 | 10,5 | 8,1 | 18,0 | 5,9 |
3 | Spastik | 1607 | 9,6 | 13,9 | 3,8 | 7,1 | 19,7 |
4 | Anorexie/Wasting | 852 | 5,1 | 3,7 | 1,8 | 6,7 | 1,2 |
5 | Multiple Sklerose | 989 | 5,9 | 12,5 | 3,2 | 4,2 | 7,3 |
6 | Depression | 471 | 2,8 | 4,7 | 2,8 | 2,4 | 2,3 |
7 | Übelkeit/Erbrechen | 376 | 2,2 | 0,8 | 0,9 | 3,1 | 0,5 |
8 | Migräne | 332 | 2,0 | 2,9 | 2,9 | 1,6 | 2,2 |
9 | ADHS | 163 | 1,0 | 5,2 | 0,2 | 0,1 | 0,4 |
10 | Appetitmangel/ Inappetenz | 198 | 1,2 | 0,8 | 0,3 | 1,6 | 0,2 |
Quelle: [1]
Um die Rolle von Cannabis bei Depressionen näher zu beleuchten, bedarf es weiterer Forschung. Da bisherige Untersuchungen zu Cannabis und Depressionen zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen, ist große Vorsicht geboten.
Bei intensivem Konsum von Cannabis besteht das Risiko der Entstehung einer Cannabis Sucht. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Depression sich womöglich sogar verschlimmert und/oder etwaige Ursachen für die Depression nicht oder nicht ausreichend angegangen werden.
Falls du über eine Cannabis-Therapie bei Depressionen nachdenkst, solltest du das also gut mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin besprechen.
Ein Gespräch mit Ärzt:innen, die sich mit Medizinalcannabis auskennen, vermitteln dir auch Telemedizin-Anbieter. Diese Möglichkeit bieten in Deutschland unter anderem folgende Anbieter:
Hier gibt es alle Infos dazu, wer in Deutschland eine Verschreibung für ein Cannabis Rezept bekommt und wann die Krankenkasse die Kosten für eine Cannabistherapie übernimmt.
Betroffene mit Depressionen sollten sich professionelle Hilfe holen. Als klassische Behandlungen gegen die Krankheit gelten Psychotherapie und Psychopharmaka.
Termine für eine Sprechstunde in einer Psychotherapie-Praxis vermittelt der ärztliche Bereitschaftsdienst in ganz Deutschland über die Telefonnummer 116 117, die App „116117“ oder online über den E-Terminservice.
Eine Woche hat die 116117 Zeit, um dir einen Termin zu vermitteln. Dieser darf dann höchstens vier Wochen in der Zukunft liegen. Weitere Informationen gibt es unter „Psychotherapie“ auf der Seite der 116 117.
[1] Begleiterhebung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte – Abschlussbericht (Stand: 06.07.2022)
[2] Auswertung von Daten im Yale Journal of Biology and Medicine: The Effectiveness of Cannabis Flower for Immediate Relief from Symptoms of Depression (Li, Diviant et al., 2020)
[3] Review in Frontiers in Psychiatry: Endocannabinoid System Components as Potential Biomarkers in Psychiatry (Navarrete, García-Gutiérrez et al., 2019)
[4] Artikel auf der Website des Deutschen Ärzteblatts: Begleiterhebung zu medizinischem Cannabis: Bedingt aussagekräftig (veröffentlicht am 25.07.2022)
[5] Review in Psychological Medicine: The association between cannabis use and depression: a systematic review and meta-analysis of longitudinal studies (Lev-Ran, Roerecke et al., 2014)
[6] Studie in Journal of Personalized Medicine: The Impact of Marijuana on Antidepressant Treatment in Adolescents: Clinical and Pharmacologic Considerations (Vaughn, Strawn et al., 2021)
[7] Studie in Psychosomatic Medicine: Comorbid Depression, Chronic Pain, and Disability in Primary Care (Arnow, Hunkeler et al., 2006)
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