Das Wichtigste in Kürze:
Cannabis Patientinnen und Cannabis Patienten sehen sich vor einer Behandlung mit Medizinalcannabis mit zwei organisatorischen Fragen konfrontiert:
Alle Informationen zum Cannabis-Rezept findest du hier. Erfahre, welche Voraussetzungen für eine Verschreibung von Medizinalcannabis gelten und welche Ärzte es verschreiben dürfen.
Du bist schon einen Schritt weiter und suchst Informationen zu den Kosten der Behandlung? Hier geht es zu unserem Artikel zur Cannabis Kostenübernahme.
Zu den Themen:
Gesetzliche Grundlagen: Die 3 Voraussetzungen für ein Cannabis Rezept
Die Praxis: Wann Ärzt:innen medizinisches Cannabis verschreiben
Verschreibung von medizinischem Cannabis: Wie sie funktioniert
Ja, in Deutschland dürfen Ärzt:innen medizinisches Cannabis auf Rezept verschreiben. Allerdings gelten dafür einige Voraussetzungen. Welche das sind, erfahren Sie hier.
Seit 2017 können Ärzt:innen in Deutschland medizinisches Cannabis ohne Ausnahmegenehmigung verschreiben. Geregelt ist das in § 31 Abs. 6 SGB V, der drei Voraussetzungen zur Verschreibung von medizinischem Cannabis nennt.
Anspruch auf Cannabis als Medizin haben Patientinnen und Patienten demnach, wenn:
Nur wenn alle drei Voraussetzungen aus § 31 Abs. 6 SGB V erfüllt sind, haben Patientinnen und Patienten Anspruch auf Versorgung mit medizinischem Cannabis. Diese kann über verschiedene Darreichungsformen geschehen:
Das Gesetz zur Cannabistherapie bleibt relativ allgemein, indem es zum Beispiel keine konkreten Erkrankungen nennt. Wie sieht also die Verschreibung von Cannabisblüten, Cannabisextrakten und Medikamenten auf Cannabinoidbasis in der Praxis aus?
Zu der Anzahl an Selbstzahlern einer Cannabistherapie liegen keine gesicherten Statistiken vor. Was man dafür kennt: Die Zahlen der Cannabisbehandlungen, die pro Jahr durch die gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
Seit 2018 gibt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu seinem Bundesbericht eine „Sonderbeilage Cannabis“ heraus. Darin gibt er an, wie häufig Cannabisblüten, Cannabisextrakte oder cannabinoidbasierte Arzneimittel im betrachteten Zeitraum in Deutschland verordnet wurden.
Für die Jahre 2018 bis 2022 nennt der Bericht folgende Zahlen zur Verschreibung von Cannabis [1]-[5]:
Jahr | Anzahl der Verschreibungen von Medizinalcannabis |
2018 | 185.370 |
2019 | 267.348 |
2020 | 340.165 |
2021 | 372.071 |
2022 | 393.187 |
Im März 2017 trat das Gesetz zur Verschreibung von Cannabis in Kraft. Gleichzeitig startete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine fünfjährige Begleiterhebung. Insgesamt wurden darin 16.809 Verschreibungen von Cannabis erfasst [6].
Allerdings wurde nicht kontrolliert, ob verschreibende Ärzt:innen wirklich an der Begleiterhebung teilnahmen. Das BfArM räumt darum selbst ein: Die tatsächliche Anzahl an Verschreibungen von medizinischem Cannabis lag wahrscheinlich höher [7].
Trotz dieser Einschränkungen könnte die Begleiterhebung erste Anhaltspunkte über den Einsatz von Cannabis als Medizin in Deutschland bieten.
Demnach wurde Medizinalcannabis in Deutschland von 2017 bis 2022 am häufigsten bei folgenden 15 Erkrankungen/Symptomatiken verschrieben [6]:
Nach Häufigkeit | Erkrankung/Symptomatik | Anteil an Verschreibungen von Medizinalcannabis in % | Anzahl der Verschreibungen |
1 | Schmerzen | 76,4 | 12.842 |
2 | Neubildung (Tumor) | 14,5 | 2.434 |
3 | Spastik | 9,6 | 1.607 |
4 | Multiple Sklerose | 5,9 | 989 |
5 | Anorexie/Wasting | 5,1 | 852 |
6 | Depression | 2,8 | 471 |
7 | Übelkeit/Erbrechen | 2,2 | 376 |
8 | Migräne | 2,0 | 332 |
9 | Appetitmangel/Inappetenz | 1,2 | 198 |
10 | Darmkrankheit, entzündlich | 1,1 | 182 |
11 | Restless-Legs-Syndrom | 1,0 | 165 |
12 | ADHS | 1,0 | 163 |
13 | Epilepsie | 0,9 | 157 |
14 | Insomnie/Schlafstörung | 0,9 | 150 |
15 | Cluster-Kopfschmerz | 0,6 | 99 |
Abseits der wahrscheinlich unvollständigen Statistik, stellen Verschreibungszahlen natürlich nur einen Anhaltspunkt dar und ersetzen keine Studien zur Wirksamkeit von medizinischem Cannabis.
Eine gesammelte Übersicht über die aktuelle Studienlage zu medizinischem Cannabis findest du unter Studien zu Medizinalcannabis.
Müssen die Patient:innen das medizinische Cannabis rauchen?
Nein. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Darreichungsformen. Getrocknete Cannabisblüten zum Beispiel können nicht nur zum Verdampfen, sondern auch zur Zubereitung eines Cannabistees verschrieben werden.
Darüber hinaus gibt es Cannabisextrakte und cannabinoidbasierte Fertigarzneimittel – etwa zur oralen Anwendung als Mundspray, Öl oder Kapseln. Genaue Infos zur Anwendung von Medizinalcannabis bekommst du in unserem Beitrag zu Darreichungsformen.
Alle niedergelassenen Ärzte in Deutschland dürfen medizinisches Cannabis verschreiben – mit Ausnahme von Zahnärzten und Tierärzten. Spezielle „Cannabis Ärzte“ gibt es nicht.
Allerdings verschreiben manche Ärzt:innen grundsätzlich kein Cannabis. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe:
Immer wieder stehen Patientinnen und Patienten vor der Frage, wie sie Ärzt:innen finden, die bei Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen Cannabis verschreiben.
Die Patient:innen haben hier unterschiedliche Möglichkeiten:
Telemedizin für eine flexible Gesundheitsversorgung
In Skandinavien, den USA oder Kanada ist Telemedizin bereits ein fester Bestandteil des Gesundheitssystems. Durch Telemedizin können Patient:innen und Ärzt:innen zum Beispiel ein Gespräch über einen Videoanruf führen.
In Deutschland ist Telemedizin derzeit in Ausnahmefällen erlaubt – sofern es ärztlich vertretbar ist. Über einen Videoanruf dürfen Ärzt:innen zum Beispiel Heilmittel verschreiben und Überweisungen sowie Krankschreibungen für bis zu sieben Tage ausstellen. [8]
Aller Voraussicht nach wird die Bedeutung der Telemedizin in den nächsten Jahren auch in Deutschland zunehmen. Heute schon spielt sie eine wichtige Rolle bei der Verschreibung von Medizinalcannabis.
Telemedizin und Cannabis: Rezept online verschreiben lassen?
Telemedizin kann Patient:innen den Zugang zu cannabinoid-basierter Therapie erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Das gilt unter anderem für Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Aber auch für Patient:innen aus ländlichen Regionen kann Telemedizin in Hinblick auf eine Cannabistherapie eine wichtige Rolle spielen. Unter Umständen stehen für sie in der Nähe keine Ärzt:innen bereit, die eine Verschreibung von medizinischem Cannabis anbieten.
Hier kommen spezialisierte Telemedizin-Anbieter ins Spiel. Diese arbeiten mit Ärzt:innen zusammen, die sich unter anderem auf die Behandlung mit Cannabis spezialisiert haben. Ärzt:innen und Patient:innen führen ein Gespräch per Videoanruf und wägen dann gemeinsam zwischen möglichen Behandlungsoptionen ab.
Unter anderem bieten in Deutschland folgende Telemedizin-Unternehmen einen Service mit Spezialisierung auf Medizinalcannabis an:
Im Einzelnen kann sich das Vorgehen von Anbieter zu Anbieter unterscheiden – manche Dienste bieten zum Beispiel ein Erstgespräch vor Ort an. Gemeinsam haben aber alle genannten Anbieter, dass sie auf Medizinalcannabis spezialisiert sind. Sie sind daher nicht die erste Anlaufstelle für eine Diagnose, sondern können vielmehr Unterstützung auf dem Weg zu einer alternativen Behandlungsoption bieten.
Seit April 2023 gelten für die Verschreibung von medizinischem Cannabis keine Höchstverschreibungsmengen mehr. Diese waren zuvor in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BMVV) festgeschrieben und konnten nur in Ausnahmefällen überschritten werden. Die Abschaffung der Höchstverschreibungsmengen sorgt für die Apotheken unter anderem für bürokratische Entlastungen.
Medizinalcannabis gilt als Betäubungsmittel und wird entsprechend über ein Betäubungsmittel-Rezept (BtM-Rezept) verschrieben. Ein BtM-Rezept wird ganz regulär in der (Online)-Apotheke des Vertrauens eingelöst.
Die Besonderheiten eines Cannabis Rezepts
Auf den ersten Blick lässt sich ein BtM-Rezept an seiner markanten gelben Farbe erkennen. Vorsicht ist beim Einlösen geboten, da es das Rezept mit der kürzesten Gültigkeit ist: Einschließlich dem Tag seiner Ausstellung können Patient:innen ein BtM-Rezept nur 8 Tage lang einlösen.
Auf einem BtM-Rezept für Cannabis müssen unter anderem angegeben sein:
- Darreichungsform
- Dosierung
- bei Verschreibung von Cannabisblüten: die Cannabissorte
Hinweis: Wenn es sich um ein BtM-Rezept für Selbstzahler handelt, ist im Feld „Krankenkasse“ der Hinweis „Privat“ eingetragen.
Beachtet man die kurze Gültigkeit, lässt sich ein BtM-Rezept für Cannabis wie jedes andere Rezept in allen Apotheken einlösen. Spezialisierte Cannabis Apotheken können allerdings eine größere Auswahl an medizinischen Cannabisprodukten bieten. Auch preislich gibt es zwischen den Anbietern Unterschiede.
Eine Übersicht über die Kosten für medizinische Cannabisblüten findest du in der Preisübersicht 2023.
Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin empfehlen eine Behandlung mit medizinischem Cannabis? Dann stellt sich die Frage, wer die Kosten für die Cannabis Therapie übernimmt.
Denn: Ob auf dem BtM-Rezept die jeweilige Krankenkasse oder „privat“ eingetragen wird, entscheidet darüber, ob die Kasse die Kosten für die Cannabis Therapie übernimmt oder die Patienten diese selbst tragen müssen.
Wie wird der Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt? Was gibt es zu beachten? Was kann man bei Ablehnung des Antrags tun? Alle nötigen Informationen erhalten Patient:innen in unserem Folgeartikel: Ist medizinisches Cannabis in meinem Fall erstattungsfähig?
[1] Sonderbeilage zur GKV-Arzneimittel-Schnellinformation für Deutschland: Bruttoumsätze und Verordnungen von Cannabinoidhaltigen Fertigarzneimitteln und Zubereitungen von Januar bis Dezember 2018 (Stand: 12.03.2019)
[2] Sonderbeilage zur GKV-Arzneimittel-Schnellinformation für Deutschland: Bruttoumsätze und Verordnungen von Cannabinoidhaltigen Fertigarzneimitteln und Zubereitungen von Januar bis Dezember 2019 (Stand: 16.03.2020)
[3] Sonderbeilage zur GKV-Arzneimittel-Schnellinformation für Deutschland: Bruttoumsätze und Verordnungen von Cannabinoidhaltigen Fertigarzneimitteln und Zubereitungen von Januar bis Dezember 2020 (Stand: 30.03.2021)
[4] Sonderbeilage zur GKV-Arzneimittel-Schnellinformation für Deutschland: Bruttoumsätze und Verordnungen von Cannabinoidhaltigen Fertigarzneimitteln und Zubereitungen von Januar bis Dezember 2021 (Stand: 18.03.2022)
[5] Sonderbeilage zur GKV-Arzneimittel-Schnellinformation für Deutschland: Bruttoumsätze und Verordnungen von Cannabinoidhaltigen Fertigarzneimitteln und Zubereitungen von Januar bis Dezember 2022 (Stand: 22.03.2023)
[6] Begleiterhebung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte – Abschlussbericht (Stand: 06.07.2022)
[7] Artikel auf der Website des Deutschen Ärzteblatts: Begleiterhebung zu medizinischem Cannabis: Bedingt aussagekräftig (veröffentlicht am 25.07.2022)
[8] Beitrag in Springer Nature – PMC COVID-19 Collection: Telemedizin: Rechtlicher Rahmen, Einsatzgebiete und Limitationen (Klinge, Bleckwenn, 2021)
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